Tierärztliche Praxis für Pferde
Ponys Praxis

Equines Herpes Virus (EHV) im Kreis Recklinghausen

Aktuell ist im Kreis Recklinghausen an einem Stall eine Herpesvirusinfektion nachgewiesen worden. An diesem betroffenen Stall gelten strenge Hygienevorschriften sowie eine Quarantäne und die Pferde befinden sich in intensiver tierärztlicher Betreuung.

Was bedeutet das für Sie als Pferdebesitzer?

Zurzeit sollten Hygienemaßnahmen ergriffen werden um einer potentiellen Ansteckung entgegen zu wirken.

Wie kann sich ein Pferd anstecken?

Die Herpesvirusinfektion ist eine Tröpfcheninfektion die durch Kontakt von Pferd zu Pferd, speziell Nasensekret, übertragen wird. Eintrittspforten sind die Schleimhäute insbesondere des Respirationstraktes. Auch der Mensch kann das Virus übertragen, doch ist das Risiko bei Einhaltung verschiedener Hygienemaßnahmen sehr gering.

Welche Hygienemaßnahmen sind sinnvoll?

Empfehlenswert ist den Kontakt zu fremden ungeimpften Pferden zu meiden. Das bedeutet zum Beispiel auch ein Turnier, Training oder einen anderen Besuch, bei dem man auf fremde Pferde treffen könnte ausfallen zu lassen oder gegebenenfalls zu hinterfragen, ob dieser Besuch und das damit verbundene Risiko notwendig ist. Händedesinfektion und das Tragen von unterschiedlicher Kleidung, wenn man mit verschiedenen Pferden an vielleicht auch verschiedenen Ställen zu tun hat sind ratsam. Potentiell verunreinigte Kleidung sollte bei 60 Grad gewaschen werden.

Wie verläuft eine Infektion mit EHV?

Es handelt sich um eine fieberhafte Erkrankung mit einer Inkubationszeit von 3 – 10 Tagen. Je nach Schwere der Infektion kann es bei ungeimpften Pferden zu einer ungehemmten Virusvermehrung im Körper (Virämie) kommen, die dann auch zu zentralnervösen Störungen führen kann. Zentralnervöse Störungen sind u.a. Probleme mit Kot- und Harnabsatz, Koordinationsstörungen und Hinterhandsschwäche, Ataxie und Paralyse (Lähmungen), welche unter Umständen dann auch zum Tod führen kann. Immer beginnt eine Infektion mit hohem Fieber über 39,0 Grad und die weiteren Symptome treten in den nächsten 3 bis 5 Tagen auf.

Was kann ich als Pferdebesitzer prophylaktisch tun?

Eine Temperaturkontrolle zwei Mal am Tag ist ratsam, um erkrankte Pferde so früh wie möglich zu erkennen. Alle Stressfaktoren, die das Immunsystem reduzieren könnten sollten wenn möglich vermieden werden. Eine immunmodulatorische Prophylaxe mit dem Paramunitätsinducer Zylexis kann das Immunsystem unterstützen und ist besonders ratsam, wenn im Bestand Verdachtsfälle auftreten.

Sollte ich mein Pferd impfen?

Eine Impfung gegen EHV 1 und 4 ist sinnvoll und wird auch von der StiKo Vet (Ständige Impfkommision) empfohlen. Eine Impfung in Beständen ohne erkrankten Pferden ist möglich, aber es gibt unterschiedliche Meinungen darüber ob es gemacht werden sollte oder nicht. Grundsätzlich muss man wissen, dass der Impfschutz erst nach der zweiten Grundimmunisierung, d.h. nach ca. 6 bis 8 Wochen vorhanden ist. In dieser Zeit hat das Pferd noch keinen Impfschutz und ist genauso infektionsanfällig wie ein ungeimpftes Pferd. Zusätzlich ist es wichtig zu wissen, dass die Impfung -wie jede andere Impfung auch- das Immunsystem belastet und, dass diese Pferde durch ein herabgesetztes Immunsystem anfälliger für Infektionskrankheiten (wie auch EHV) sind. Aus diesem Grund muss man abwägen, ob die Impfung zu diesem Zeitpunkt akut noch sinnvoll ist oder ob man lieber abwartet bis der Seuchenzug vorüber ist.

Die Entscheidung ob man noch impft oder besser nicht, sollte individuell und am besten in Absprache mit Ihrem Haustierarzt erfolgen.

Wirkt die Impfung zu 100 % gegen eine Infektion?

Nein, die Impfung ist kein hundertprozentiger Schutz gegen die Infektion mit EHV. Ratsam ist die Impfung eines kompletten Bestandes, damit kein ungeimpftes Pferd den Erreger in den Bestand einbringen kann. Eine Einzeltierimpfung ist aber trotzdem ratsam, da der Einzeltierschutz zwar nicht die Infektion des geimpften Pferdes verhindert, aber die Virämie (ungehinderte Virusvermehrung im Körper) reduziert und dadurch die Krankheit deutlich milder und im besten Fall nicht tödlich verläuft.

Sollten jetzt am besten alle Pferde geimpft werden?

Grundsätzlich ist es so, dass je mehr Pferde geimpft sind desto geringer ist der Infektionsdruck. Daher ist natürlich zu raten, so viele Pferde wie möglich regelmäßig zu impfen. In Einzelfällen (z.B. sehr alte, kranke oder immunsupprimierte Pferde) kann es aber ratsam sein auf die Impfung zu verzichten. Dies sollten Sie bitte individuell mit Ihrem Haustierarzt besprechen und auch Stallbesitzer, die auf eine Bestandsimpfung bestehen darauf aufmerksam machen, dass bei diesen Pferden ein Impfverzicht eventuell sinnvoll ist.

Was mache ich bei Herpesverdacht?

Wenn bei meinem Pferd ein Verdacht durch z.B. erhöhte Körpertemperatur vorliegt, sollte ich meinen Tierarzt informieren und sicherheitshalber den betroffenen Stalltrakt unter Quarantäne stellen, so dass ein infektiöses Geschehen vielleicht auf einen Bereich des Bestandes begrenzt werden kann. Auch andere (noch) nicht erkrankte Pferde in diesem Stalltrakt sollten von den anderen separiert bleiben, da man nicht wissen kann ob diese sich eventuell noch in der Inkubationszeit befinden. Bei allen Pferden des gesamten Bestandes sollte zweimal täglich die Temperatur kontrolliert werden. Ratsam ist es alle Stressoren weitestgehend zu reduzieren und den Pferden Ruhe zu geben. Ebenfalls ist ein intensiver Einsatz des Immunsystem stärkenden Präparats Zylexis empfehlenswert. Diagnostisch kann man aus Nasentupfern und Blut mittels einer PCR einen Virusnachweis erbringen oder über eine zweifache Antikörperbestimmung aus dem Blut eine Infektion ermitteln.

Diese Ausführungen haben sicher nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, aber sollten die häufigsten Fragen des letzten Tages beantworten. Wen dieses Thema eingehender interessiert sollte sich an seinen Haustierarzt wenden oder tiermedizinische Fachliteratur zur Rate ziehen.

Ich möchte gerne noch ein paar persönliche Eindrücke des heutigen Tages (18.12.2019) schildern.

Dies ist nicht der erste Herpesausbruch in der Gegend und wird mit Sicherheit auch nicht der Letzte sein, aber die Art und Weise wie heute damit umgegangen wurde und welche Panik vor allem auch in den sozialen Medien und per WhattsApp durch ganz NRW transportiert wurden sind neu und m.E. erschreckend.

Wir haben heute massenhaft Telefonate geführt, mit verunsicherten Pferdebesitzern gesprochen, vernünftige und unvernünftige Fragen gestellt bekommen. Ich kann verstehen, dass man Angst davor hat, dass sein Pferd tödlich erkrankt, aber Panik und das unbedachte Weiterleiten diverser Sprachnachrichten ist das Letzte was einen weiterbringt.

Ganze Bestände ohne Infektionsverdacht zu sperren, Verbote mit den Pferden auszureiten, spazieren zu gehen, Reitlehrer nicht aus dem Auto aussteigen zu lassen usw. sind m.E. Maßnahmen, welche die Hysterie und Panik fördern und bei sachlicher Betrachtung des Geschehens am Ziel vorbeischießen.

Unreflektierte, panikinduzierte Massenimpfungen von kompletten Beständen sind kein Mittel, um einer EHV-Infektion akut vorzubeugen.

Natürlich ist es ratsam so viele Pferde wie möglich zu impfen, um den Infektionsdruck zu senken, aber die Panik der Pferdebesitzer dafür auszunutzen, um komplette Bestände zu impfen halte ich für unseriös und wird langfristig nicht dazu führen, dass wir in unserer Gegend eine größere Impfpopulation bekommen.

Seriöse Aufklärung der Pferdebesitzer und die Überzeugung, dass die Impfung sinnvoll ist für die Gesunderhaltung Ihres Pferdes sowie des gesamten Bestandes sind der Grundstein für eine wachsende Impfpopulation.

Pferdebesitzer die jahrelang aus verschiedensten Gründen nicht gegen EHV geimpft haben, werden wahrscheinlich langfristig Ihre Pferde nicht weiterimpfen.